Mercedes Benz /8 W114/115

Strona 075

 

Im Februar l 971 jedenfalls war er für den W l 14 fest eingeplant, nur diskutierten die Vorstandsmitglieder darüber, ob der Vertrieb auf Vergaser- und Einspritzerversion bestehen sollte, oder, wie die Fertigung es begrüßen würde, zur Reduzierung der Ty-pen-Vielfalt auf eine Variante verzichtet werden könnte. Aus Kalkulationsgründen erachtete Verkaufsvorstand Dr. Rolf Staelin es für günstiger, auf die 2,5 Liter-Variante zu verzichten und dafür beide M l l 0 V/E-Motoren im Programm vorzusehen. Nach interner Prüfung beschieß man auf der nächsten Sitzung am 22. März 1971, daß der M 110 V25 erst bei der Umstellung auf W l 23 als Nachfolgemotor vorgesehen werden sollte. Damit war der Weg für beide 2,8 Liter-Versionen frei, und es ging in den Fahrversuch.
Schnell, laut – und schlapp
Fast auf den Tag genau vier Monate später berichtete Herr Stoehr vom Fahrversuch über die Beurteilung der in Untertürkheim stationierten Vorserien-Fahrzeuge W l 14 mit Motoren M 110. Im Vorstandsprotokoll liest sich dieser Bericht wie folgt: »Von allen Fahrern oben erwähnter Wagen wird die außerordentliche Spritzigkeit des Motors im oberen Drehzahlbereich positiv vermerkt, die dem Fahrzeug zu ansehnlichen Fahrleistungen verhilft. Im unteren Drehzahlbereich wird jedoch generell von allen Fahrern mehr Motorleistung erwartet. Kritik fanden außerdem der schlechte Leerlauf und die Bremsen. Der Benzinverbrauch bewegt sich bei 15 bis 18 Ltr./lOO km bei Wagen mit automatischen Getriebe. Bei ausschließlichem Stadtbetrieb erhöhen sich die Verbrauche auf maximal 23 Ltr. Der durchschnittliche Ölverbrauch liegt bei ca. l Ltr./ 1000 km.« Stoehr empfahl, lieber auf fünf PS zu verzichten und dafür ein günstigeres Drehmoment im unteren Drehzalbereich anstreben. Diese Meinung vertrat auch Dr. Scherenberg, auf dessen Anweisung hin die Motoren entsprechend bearbeitet wurden, obwohl der M l l 0 zu diesem Zeitpunkt im unteren Drehzahlbereich schon mehr Drehmoment aufzuweisen hatte als der M l 30.
Die Erprobung der M 110 V28/E28 wurde mit Hochdruck und äußerster Dringlichkeit durchgeführt; im Dezember 1971 berichtete man dem Vorstand von dabei aufgetretenen Schäden. Kolbenschmorer und Pleuellagerschäden waren aufgetreten, aber leider nicht alles, was es zu berichten gab, denn von Seiten der Fertigung war man auf ein ungewöhnliche Phänomen gestoßen. Bei der serienmäßigen Bearbeitung war eine Verzugsanfälligkeit der Zylinderköpfe festgestellt worden, die zunächst nicht erklärt werden konnte. Der Zylinderkopf war offensichtlich an zwei Stellen zu schwach ausgelegt worden, so daß sich das Nockenwellen-Gehäuse verzog, wenn die Köpfe auf die Bearbeitungsmaschinen aufgespannt wurden. Man konnte zu diesem Zeitpunkt also beim M l 10 gewissermaßen von einem »Schwachkopf« reden, den man bis zur Serienfertigung zu heilen hatte. In der Versuchsfertigung war dieser Fehler aufgrund der individuellen Bearbeitung nicht aufgetreten, so daß die Fertigung nun vier Monate vor Serienanlauf und nachdem die neuen Transferstraßen zur Produktion errichtet waren, erst diesen Fehler aufdeckte. Die Zeit drängte, im Februar sollten die ersten 22 Motoren auf diesen Straßen montiert werden. Für Mitte März l 972 war die Vorserie geplant und sechs Wochen später, im Mai, die Serienfertigung und Auslieferung. Die Zeit drängte, Entwicklung und Fertigung arbeiteten mit Hochdruck an der Verstärkung der schwachen Kopfpartie. Auf der gleichen Sitzung berichtete Herr Stoehr aus dem Fahrversuch, daß nach der letzten Vorstandssitzung die Motoren, nun mit geänderten Nockenwellen und Steuergerät ausgerüstet, in der Erprobung liefen. Das Beschleunigungsverhalten im unteren Bereich war nun zufriedenstellend, aber dafür hatte sich die Standzeit der Bremsen als nicht ausreichend erwiesen. Dieses Problem versuchten die Techniker mit Änderungen an Bremszange und Bremssattel zu lösen und damit ab Mitte Februar 1972 zum Einsatz in Erprobungsfahrzeugen zu gelangen. Der bemängelten ungenügenden Servoun-terstützung der Bremsen bei Kolonnenfahrt oder Rangieren begegneten sie mit der Erhöhung der Unterdruckverstärkung. Dr. Scherenbergs besonde-
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